oral_cavity

Oral Cavity Ludmilla Mercier, Carl Fenski, Weronika Debska

Ein Stück für 3 Performers, Zahnbürsten, Sensoren und Projektionen.


Soziale Netzwerke haben einen sehr wichtigen Platz in unserer Gesellschaft. Bei ihnen nimmt die Beziehung zum Körper und zur Intimität ständig ab, vor allem bei der jüngeren Generation. Mit einem Klick betreten wir Ihre Toilette und sehen Sie nackt bei einer u. a. Zahnpasta -Challenge. (Eine Herausforderung, die darin besteht, Zahnpasta in einer sexy Art und Weise vor die Kamera deines Handys zu spucken).

Wie sieht die Zukunft der Beziehung zu unserem Körper in einer Welt aus, in der viele der von den Netzen geschaffenen Herausforderungen als eine Form der Pornografie betrachtet werden könnten? Unser Ziel ist es, den Körper auf eine Bühne zu stellen. Ein Publikum mit einer realen Situation zu konfrontieren, indem man sich über die Welt der Bildschirme lustig macht.

Die Performance wurde durch Projektionen, digitale Installationen und einen performativen Teil realisiert. Wir haben auch elektronische Objekte verwendet, die von Videos abgeleitet sind, um einen Klangraum zu schaffen.

Technik


Videos in sozialen Netzwerken werden unter sehr ausgewählten Lichtbedingungen aufgenommen und zusätzlich mit sogenannten Filtern, also automatisierten Videobearbeitungsprogrammen verfremdet.

Diese Bedingungen auf der Bühne bei der Performance zu replizieren, war eine enorme Aufgabe und erforderte ein hohes Maß an technischer und visueller Unterstützung.

Dabei war es wichtig nicht nur mit szenerisch geplanten Installationen zu arbeiten, sondern den Performer*innen einen (Schau-)Spielraum zu geben. Das sollte durch die Einbindung von Abstandssensoren, Arduino-Microcontrollern und Kontaktmikrofonen ermöglicht werden. Dadurch entsteht ein jedes Mal eine neue und immersive Performance, weil die Bühne auf die Performer*innen reagiert, so wie die Handkamera auf die Nutzer*innen.

Erstens wurden LED-Ringlights verwendet. Abstandssensoren in Verbindung mit Arduino Nanos konnten so programmiert werden, dass sie ab einer bestimmten Entfernung ein binäres Signal an einem Transistor leiteten, der die Stromversorhgung des LED-Ringlights kontrollierte. Es wurde demnach dauerhaft ein Aus-Signal an den Transistor gesendet und die Lampe blieb dunkel, bis die Performer*innen eine gewisse Distanzgrenze unterschritten. Dann wurde ein Ein-Signal gesendet und die Lampe leuchtete.

Zweitens wurden Kontaktmikrofone an elektrische Zahnbürsten angebracht. Das Einschalten der Zahnbürsten erzeugte ein modell- und benutzungsspezifischer Sound, der von den Performer*innen kontrolliert werden konnte.

Drittens wurde in eine gelochte metallene Schüssel (Nudelsieb) ein rotierendes farbiges Licht platziert und mit Aluminiumfolie versiegelt.

Viertens wurden Druckknöpfe an metallene Esslöffel befestigt und wieder mit einem Arduino-Microcontroller verbunden. Durch eine Verbindung des Controllers mit einem Laptop konnte das Musikverarbeitungssoftware Ableton angesteuert werden. Durch das Drücken der Knöpfe wurde die Stummschaltung eines Kanals aufgehoben und die Performer*innen konnten live entscheiden, wann ihr jeweiliger Sound zu hören ist. Zusätzlich wurden die Esslöffel in die Performance eingebaut. Die Signalreichweite von USB-Verbindungen ist jedoch begrenzt, sodass dieser Teil nicht auf dem Hauptkonzert verwendet werden konnte. Durch die Verwendung von Funk- oder Wlan-Empfängern und Sendern wird dieser Teil der Performance in zukünftigen Aufführungen ermöglicht.

Ästhetik


Um den digitalen und cyber-Aspekt unserer Performance zu unterstreichen, haben wir eine Animation eines Mundes kreiert. Die pixelige Großprojektion von Lippen, die mit dem Sound synchronisiert ist, wurde während der Show auf die Bühne projiziert. Mit jeder Sekunde wurde die Projektion mit Hilfe von zahlreichen Lippenbildern intensiviert.

Auch das Aussehen der Darsteller*innen spielte eine Rolle. Jede*r Darsteller*in hatte ein individuelles Make-up, das seinem Platz in der Szene entsprach. Der kräftige rote Lippenstift in Verbindung mit einem schwarzen Eyeliner war von der klassischen weiblichen Schminke inspiriert. Allerdings waren die Lippen stark überzeichnet und das Augen-Make-up war unnatürlich, geometrisch und übertrieben.

Zusammen formten alle die Performer ein abstraktes Gesicht.

Fazit


Das Projekt Oral Cavity war sehr erfolgreich und wurde vor Publikum aufgeführt. Die Vision der Regisseurin Ludmilla Mercier einer performativen Umsetzung der persönlichen und kollektiven Wahrnehmung von audiovisuellem Content in sozialen Netzwerken wurde umgesetzt. Dabei bestimmte Sie selbst die Form, Struktur, auditive Komposition und Erzählung der Performance. Weronika Debska und Carl Fenski nahmen maßgeblich bei der Ästhetik (Visuelle Elemente, Make-Up, Belichtung) und der Ermöglichung einer immersiven Performance (durch die Performer*innen live gesteuerte Technik) Einfluss. Dabei konnte jedes Mitglied ihre*seine Spezialfähigkeiten einsetzen und das Projekt voranbringen.

Anmerkungen

Das Projekt war eine interdisziplinäre Kooperation von Studierenden aus verschiedenen Berliner Universitäten.

Probleme

Die pandemische Lage hat den direkten Austausch und persönliche Treffen erschwert bis verunmöglicht. Das Zeitmanagement und der regelmäßige Austausch, sowie terminlich konkrete Absprachen waren zeitweilig problematisch. Bestimmte, eigentlich etablierte Plattformen zur Organisation wurden nur teilweise genutzt, sodass letztlich viel über Messenger (erfolgreich, aber weniger effizient) erledigt wurde. Technische Ausrüstung wurde zu spät fertiggestellt, sodass nötige Anpassungen für die Aufführung zeitlich nicht mehr möglich waren.

  • oral_cavity.txt
  • Zuletzt geändert: 2022/04/04 11:05
  • von wmdebska