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Mini-Tornado

Im Rahmen dieses Semesterprojekts konnte erfolgreich eine vertikale Wirbelströmung in einem Plexiglaszylinder ($h=100cm,\, d=28cm$) präpariert werden, die mithilfe von einströmendem Nebel sichtbar gemacht wurde. Dabei erwiesen sich die Rotationsgeschwindigkeit des Wirbels, sowie die Menge der einströmenden Luft pro Zeit als wesentliche Einflussfaktoren auf die Konsistenz und den Durchmesser des erzeugten Mini-Tornados.

https://www.wetteronline.de/fotostrecken/staerkste-tornados-in-deutschland-2019-05-22-ts Tornados sind beeindruckende und gewaltige Naturerscheinungen. Tornados entstehen durch von der Sonne erwärmte, vertikal aufströmende Luft, die nach dem Bernoulli Effekt ein Unterdruck erzeugt, wodurch Luftmassen horizontal nachströmen. Der Corioliseffekt hat eine rotierende Wirkung auf diese ausströmenden Luftmassen. Beide Effekte erzeugen zwei entgegengesetzte Kräfte, wodurch sich teils mehrere Kilometer lange Wirbelkanäle formen können.

In einem miniaturisierten Modell ist die Corioliskraft aufgrund der kleinen Strömungsgeschwindigkeit und geringen Masse der strömenden Luft sehr klein und kann gegenüber weiteren Umgebungsfluktuationen vernachlässigt werden. Der Kern des Aufbaus ist ein Tubus, aus dem mit einem Propeller Luft heraus gesaugt wird, wodurch ein Unterdruck im Tubus entsteht. Der Propeller bewerkstelligt außerdem über viskose Reibung ein Drehmoment, das die Luft im Tubus um seine zentrale vertikale Achse rotieren lässt. Dadurch bildet sich die nach außen wirkende Zentripetalkraft aus. Auf der Mantelfläche des Tubus befinden sich Öffnungen, durch die Luft horizontal - in Richtung der vertikalen Achse des Tubus - einströmen kann. Befinden sich diese beiden Kräfte im Gleichgewicht, so bildet sich eine zylindrische Barriere aus, ein Tornado. Um diese Barriere sichtbar zu machen, wird von unten Nebel zugeführt. Nebelpartikel, die sich in einem größerem Abstand als der Tornadodurchmesser befinden $r > d_T$, werden zur Tornadoachse gedrückt. Mit geeigneter Rotationsgeschwindigkeit und einströmender Luftmenge bildet sich über die ganze Tubuslänge ein stationärer Zustand aus, wobei der Tornadodurchmesser konstant bleibt.

Quellen: Tornado-Bild

Tornados verursachen jährlich Sachschäden in Millionenhöhe, deshalb ist die Tornadoforschung wichtig, um alltägliche Systeme zu verbessern und Schäden gering zu halten. Exakte Messungen von Tornado Strömungen werden mit Flugzeugen oder Tornadojäger-Autos aufgenommen. Um die herrschenden Luftströmungen zu verstehen, gibt es beispielsweise den Tornado Micro-burst Simulator an der Iowa State University (Department of Aerospace Engineering), wo Tornados in klein simuliert werden. Mit den Ergebnissen der Messungen werden Verbesserungen von Geometrien entwickelt. Zum Beispiel geht es um Strömungen an Häuserdächern oder anderen Objekten wie auch den zuvor erwähnten Tornadojäger-Autos.

Simulierte Mini-Tornados helfen nicht nur das Naturphänomen zu verstehen, sondern finden auch in anderen Bereichen Verwendung.

In dem zylindrischen ZIRRUS Solarreaktor wird künstlich eine Tornado-Luftströmung erzeugt, damit sich das verwendete Zinkoxid nicht an der Scheibe ansammelt.

Im Rahmen der Turbulenzmodellierung werden Strömungen hinter Turbinen Triebwerken beschrieben, wo das Phänomen des Wirbelaufplatzen genutzt wird um das Rückströmgebiet zurück in die Brennkammern zu leiten. Das dient sowohl zur Stabilisierung der Flamme als auch zur Schadstoffreduktion. Hier ist fundamentales Know-How über Luftverwirbelung notwendig, um Phänomene effektiv erklären zu können.

Zuletzt noch ein Beispiel für eine analytische Modellierung von Tornados.

Skizze des Prototypen der Tornadoröhre

Unser Prototyp der Tornado-Röhre besteht aus einer $5mm$-dicken Plexiglas-Folie, die zu einem Tubus mit den Maßen $h=100cm$ und $d=28cm$ zusammengerollt ist. Als Deckel dienen runde Farbeimerdeckel, in deren Einkerbungen die Plexiglas-Folie fixiert ist. Zusätzlich sind alle Kontaktstellen mit Folie abgedichtet, was zusätzlich auch die Stabilität erhöht. Auf der Mantelfläche befinden sich jeweils 6 vertikale Reihen äquidistanter Löcher (L), mit jeweils 14 $ø3mm$- und 17 $ø6mm$-Löchern.

Auf dem oberen Deckel ist ein Festplattenlüfter (4-wire-fan) (F) aufgeschraubt, dessen Drehgeschwindigkeit über ein Potentiometer einstellbar ist. Das Potentiometer schließt das rote Stromkabel mit der Kontrollleitung (typischerweise blau) über ein einstellbaren Widerstand kurz. Die Energieversorgung erfolgt über eine Li-2s-Batterie (7.4V), die sich zusammen mit dem Potentiometer und der Verschaltung in der Kontroll-Einheit (C) zusammenfasst. Die Output-Leitung (typischerweise weiß/gelb) des Lüfters kann an ein Oszilloskop angeschlossen werden, über das die momentane Drehgeschwindigkeit bestimmt werden kann.

Durch den unteren Deckel des Tubus' wird mittig ein Schlauch geführt, der mit einem Nebelreservoir (R) verbunden ist. Als Reservoir dient ein 5l-Plastikkanister, in den mit einer handelsüblichen Nebelmaschine Nebel geleitet wird. Nach Einschalten des Festplattenlüfters wird der Nebel in den Wirbelkanal gesaugt. Das Reservoir verhindert dabei, dass die Nebelteilchen von der Ausströmdüse der Nebelmaschine zu schnell in den Tubus beschleunigt werden und die effektive Strömungsbarriere dadurch einfacher überwinden können.

Die momentane Drehgeschwindigkeit kann aus dem periodischen Output-Signal des Lüfters ermittelt werden.

Der Tornado-Aufbau wird in einem geschlossenen Raum aufgebaut, um externe Luftzirkulationen zu minimieren. Über das Potentiometer kann nun eine Drehgeschwindigkeit zwischen Minimal- und Maximalgeschwindigkeit des Lüfters eingestellt werden, die über das periodische Output-Signal des Lüfters auf dem Oszilloskop präzise reproduziert werden kann. Nach einer Anlaufphase von ca. einer halben Minute hat sich das System weitestgehend stabilisiert und es kann Nebel in das Reservoir eingeführt werden, der in den Wirbelkanal gesogen wird. Über eine seitliche Beleuchtung kann der Kontrast des Rauchs zum Hintergrund erhöht werden. Durch Zukleben der auf der Mantelfläche befindlichen Löcher wird die gesamte Einströmfläche variiert. Für verschiedene Variationen von gesamter Einströmfläche und Drehgeschwindigkeit des Rotors kann nun die Tornado-Konsistenz objektiv beurteilt werden. Dabei richtet sich die Beurteilung nach der Stabilität des Tornados während eines Füllzyklus', dem Anteil des Nebels der aus dem Wirbelkanal entweicht, sowie dem Confinement des Wirbelkanals.

Tornado Konsistenz in Abhängigkeit der Gesamten Einströmfläche (total inflow area) und der Drehgeschwindigkeit in Prozent der maximalen Drehgeschwindigkeit. Messpunkte geringer Konsistenz sind blau und solche hoher Konsistenz rot eingefärbt. In der Nebenstehenden Abbildung sind die Tornado-Konsistenzen für verschiedene Variationen der Drehgeschwindigkeit des Festplattenlüfters und der gesamten Einströmfläche dargestellt. In dem Fall, dass alle Löcher zugeklebt sind, entstehen zwar Verwirbelungen, diese nehmen jedoch den gesamten Durchmesser des Tubus' ein. Dies ist im Vorfeld zu erwarten, da somit keine Luftströmung von außen den Wirbelkanal in seinem Durchmesser einschränken kann. Mit steigender Einströmfläche steigt zunächst die Konsistenz des Tornados an (rot). Für große Einströmflächen, bei denen die großen Löcher aufgedeckt werden ($5.77cm^2$-$23.07cm^2$), entstehen nur sehr kurzzeitige und labile Wirbel, die keinen Wirbelkanal bilden und somit geringe Konsistenz aufweisen (blau). Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass die deutlich höhere Einströmfläche bei gleichem Innendruck einen geringeren Strömungsgradienten bewirkt, der in einer geringeren, konzentrisch auf den Windkanal wirkenden Kraft resultiert. Insgesamt erweist sich zudem die minimale Drehgeschwindigkeit als ungeeignet. Die optimale Konsistenz wird im vorliegenden Aufbau bei 50% Drehgeschwindigkeit und einer Einströmfläche von $2.38cm^2$ erreicht (dunkelrot). Die folgenden beiden Videos zeigen die Tornados für minimale Drehgeschwindigkeit bei $2.38cm^2$ (1)  1 und die für den optimalen Parametersatz (2).

Die Untersuchungen am Prototypen dienten dazu, einen geeigneten Parameterbereich für die Lochanzahl und -größe, sowie die Drehgeschwindigkeit des Festplattenlüfters zu finden, in dem konsistente Tornados entstehen. In einer Fortsetzung des Projekts sollen die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf ein Präsentationsobjekt in Form eines Acrylglasverschnitts der Maße $h=75cm$ und $d=25cm$ angewendet werden. Dazu sollen für höchstmögliche Präzision die Löcher auf der Mantelfläche mithilfe eines Lasercutters geschnitten werden. Dies sollte eine symmetrische und weniger turbulente Einströmung in den Tubus ermöglichen. Außerdem soll der relativ biegsame Farbeimerdeckel durch robustes Material ersetzt werden, um sicherzustellen, dass die Rotorachse exakt auf der Zylinderachse liegt und zudem weniger von Vibrationen beeinflusst wird. Ferner soll eine vertikale LED-Beleuchtung im Tubus angebracht werden, die die provisorische äußere Beleuchtung ersetzt und so zu einem kompakten und anschaulichen Design beiträgt. Zusätzlich sollen auch Diodenlaser horizontal angebracht werden, die es ermöglichen, den mittleren Tornadodurchmesser $\bar{d_T}$ objektiv zu quantifizieren.

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  • Zuletzt geändert: 2023/01/19 00:07
  • von derfelixx